Frauenbelange in Nahverkehrsplänen


Referentinnen: Katja Striefler und Angela Fuhrmann

Rundbrief PlanungsFachFrauen März 1998 (Kurzfassung)




Frauenbelange in Nahverkehrsplänen: Was sollte erreicht werden?

Frauen sind es, die Busse und Bahnen überwiegend nutzen. Dennoch ist das Angebot des öffentlichen Verkehrs nicht auf ihre Bedürfnisse abgestimmt. Welche Anforderungen stellen Frauen an den öffentlichen Verkehr? Vor allem geht es um
  • zeitliche und räumliche Erreichbarkeit,
  • Gebrauchsfähigkeit,
  • Sicherheit vor Männergewalt,
  • Sicherheit vor Verkehrsunfällen.

Was ist ein Nahverkehrsplan (NVP)?

Der Nahverkehrsplan ist ein neues Planungsinstrument, das im Rahmen der Regionalisierung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) mit der Verabschiedung der Landesnahverkehrsgesetze eingeführt wurde. Erstmalig wird damit die Gestaltung des ÖPNV an eine Planung seitens der kommunalen Gebietskörperschaften gebunden.
Der NVP bildet den Rahmen für die Entwicklung des ÖPNV und beschreibt die Vorstellungen der für den öffentlichen Verkehr verantwortlichen Behörde („Aufgabenträger“) für die zukünftige Gestaltung des Angebotes. Für davon abweichende Planungen gibt es keine Gelder des Land es mehr. Die Planung und Abwicklung des öffentlichen Verkehrs wird damit transparenter: Der Ist-Zustand, die Ziele und die geplanten Maßnahmen müssen mindestens alle fünf Jahre offengelegt werden – und dies unter Beteiligung zumindest eines Teiles der Öffentlichkeit.
Literaturtip: Weichenstellung – Frauen verändern den ÖPNV. Planung des ÖPNV aus Frauensicht, von Angela Fuhrmann im Auftrag des Niedersächsischen Frauenministeriums, Hannover 1997. Erhältlich beim niedersächsischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales, Hinr.-Wilh.-Kopf-Platz 2, 30159 Hannover.

Niedersächsisches Landesnahverkehrs-Gesetz:
Chance für die Integration von Frauenbelangen verpasst!

Feministische Verkehrsplanerinnen hatten in der Regionalisierung des Nahverkehrs eine herausragende Chance für eine Wende hin zu einer geschlechtergerechten Mobilität gesehen. So gab auch die Landesarbeitsgemeinschaft der Kommunalen Frauenbeauftragten Niedersachsens frühzeitig eine Stellungnahme zum Niedersächsischen Nahverkehrsgesetz (NNVG) ab und schlug vor,
  • daß alle Nahverkehrspläne umfassende Mängelanalysen aus Frauensicht und Handlungsempfehlungen zum Abbau der festgestellten Mängel enthalten müssen;
  • daß Frauen auf allen relevanten Ebenen und bei allen relevanten Ebenen beteiligt werden müssen.
Leider blieben beide Vorschläge unberücksichtigt. Festgeschrieben wurde im NNVG, daß „den Belangen von Frauen angemessen Rechnung zu tragen ist“. Die Entscheidung der GesetzgeberInnen, in puncto Frauenbelange auf konkrete Vorgaben zu verzichten, bedeutet vor allem, daß die Aufgabe „geschlechtergerechte Mobilität“ der kommunalen Ebene zugeschoben wird. Dies ist im Zusammenhang zu sehen mit der generellen Qualität des niedersächsischen Nahverkehrsgesetzes, das als „zahnlos, bundesweit fast Schlußlicht“ bewertet wurde – und damit vergleichsweise ungünstige Voraussetzungen für eine feministische und ökologische Verkehrswende bietet. Welche Ansatzpunkte liefert nun das NNVG?

Anknüpfungspunkte für Frauenbelange in den Grundsätzen und Zielen des Niedersächsischen Nahverkehrs-Gesetzes (NNVG)

  • „Die Sicherheit einer ausreichenden Bedienung mit Verkehrsleistungen im ÖPNV ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge“ (§2, (2)). Das heißt: der ÖPNV ist keine „freiwillige“ – also auch unterlaßbare - Aufgabe.
  • „Das Bedienungsangebot soll sich nach den Bedürfnissen der Bevölkerung (...) richten“ (§2, (4), 1.). Dies kann in Nahverkehrsplänen konkretisiert werden. Solche Bedürfnisse sind zum Beispiel kurze Wege oder Erreichbarkeit wichtiger Versorgungseinrichtungen.
  • „Bei Planung, Bau Ausbau und Umbau von Verkehrsanlagen und bei der Fahrzeugbeschaffung sind die besonderen Bedürfnisse von Personen mit eingeschränkter Beweglichkeit, älteren Menschen, Kinder und Personen mit Kindern angemessen zu berücksichtigen. Die öffentlichen Zuwendungsgeber werden aufgefordert, Maßnahmen vorrangig zu fördern, die den besonderen Bedürfnissen dieser Nutzergruppen entsprechen.“ (§2 (4), 2.)
  • „Bei der Gestaltung von baulichen Anlagen sowie beim Bedienungsangebot ist den Belangen von Frauen angemessen Rechnung zu tragen.“ (§2 (4), 4.)
  • Beim NVP sind „Verbände, die die Interessen der Fahrgäste vertreten, (..) zu beteiligen.“ (§6 (4)).

Nahverkehrsplan Großraum Hannover 1997 – Frauenbelange integriert!

Der NVP Großraum Hannover wurde in einer Projektgruppe erarbeitet, zu der auch die Gleichstellungsbeauftragte des Kommunalverbandes gehörte. Sie brachte nicht nur Frauenbelange ein, sondern war darüber hinaus auch Koordinatorin für die Beteiligung der Fahrgastverbände. Zur Vertretung der Interessen der weiblichen Fahrgäste war der Landesfrauenrat beteiligt.
Der Nahverkehrsplan Großraum Hannover zeichnet sich in puncto Frauenbelange vor allem dadurch aus, daß die Frauenbelange integriert sind: Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Frauenbelange ein Querschnittsthema sind, das bei der Gestaltung des gesamten Verkehrsangebotes zu berücksichtigen ist. Zusätzlich sind frauenrelevante Sachverhalte im Teil E/Handlungsbedarf und Maßnahmen ausführlich dargestellt.

Erfahrungen, Strategien, Erfolge – andernorts in Niedersachsen

In Niedersachsen mußten alle Nahverkehrspläne am 1.1.1998 vorliegen. Gute Erfahrungen mit frauenbezogenen Aktivitäten gab es genauso wie ernüchternde. Einigen Frauenbeauftragten wurde es sehr schwer gemacht. Teilweise führte schon die Hinzuziehung einer externen Expertin zum Eklat.
  • In einem Landkreis wurde ausdrücklich erklärt - und in der Presse ausführlich dargestellt – daß die von der Frauenbeauftragten in Gang gebrachte Bürgerinnenbeteiligung nicht den geringsten Einfluß auf den Nahverkehrsplan haben würde.
  • In anderen Orten gab es erfolgreichere Initiativen zur Integration von Frauenbelangen in die NVP – teils wurden Informationsveranstaltungen für PolitikerInne und/oder Bürgerinnen angeboten, teils intensivere Formen wie Werkstätten oder Probefahrten. Wo mehrere Aktive – Frauenbeauftragte, Planerinnen, Politikerinnen, Bürgerinnen – zusammen wirken konnten, waren auch die Umsetzungschancen gut.
  • Erfolgreich war beispielsweise die Arbeit der AG der kommunalen Frauenbeauftragten im Großraum Braunschweig in Kooperation mit einer engagierten Planerin. Was mit einer Ausstellung „Regina Mobilia“ (der PFF-Rundbrief berichtete) begonnen und Diskussionen selbst in kleineren Dörfern entzündet hatte, führte zur Berücksichtigung von für Frauen wichtigen Belangen im NVP-Entwurf und in der Endfassung.

Erfahrungen, Strategien, Erfolge – in anderen Bundesländern

Die Erfahrungen aus Sachsen –Anhalt sind besonders interessant, weil dort per Gesetz die Berücksichtigung der Belange von Frauen verbindlich vorgeschrieben ist. Der Nahverkehrsplan muß „den Bestand und die vorgesehene Entwicklung des Netzes des ÖPNV sowie eine Darlegung der Belange von Frauen (..) verbunden mit einer Mängelanalyse“ enthalten. Weiterhin ist festgeschrieben, daß „Maßnahmen (...) zur Beseitigung der in der Analyse (...) festgestellten Mängel“ in den NVP enthalten sein müssen. Auch die Unterstützung des Aufgabenträgers durch einen ehrenamtlichen Beirat ist vorgegeben, an dem z.B. Kreiselternräte, Interessenvertretungen von Frauen, Interessenvertretungen von Senioren zu beteiligen sind.
  • So war dann die Mitarbeit von Gleichstellungsbeauftragten in den Beiräten eine Selbstverständlichkeit, die auch vielerorts genutzt wurde.
  • Die kommunalen Aktivitäten wurden durch Veranstaltungen der Landeszentrale für politische Bildung und des Ministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr unterstützt.
  • Die Leitstelle für Frauenpolitik hat nach Beschluß der ersten Nahverkehrspläne eine Studie zur Integration der Frauenbelange in die Nahverkehrsplanung vergeben, mit der die Ergebnisse in zwei NVP exemplarisch analysiert werden.
  • Die verbindlichen Regelungen – Mängelanalyse aus Frauensicht und Nennung von Maßnahmen zur Beseitigung der Mängel sowie Beteiligung von Frauen – schufen den bereits Sensibilisierten günstige Voraussetzungen für erfolgreiches Handeln.
Aber selbst in Sachsen-Anhalt sollte noch mehr passieren: Für viele nicht mit dem Thema Vertraute war aber auch in Sachsen-Anhalt der Vorlauf viel zu kurz; auch fehlte Geld für die Unterstützung durch Externe.
In Nordrhein-Westfalen hatten sich Fachfrauen sehr frühzeitig mit dem Thema befaßt, Aktivitäten auf regionaler und kommunaler Ebene entfaltet. Dem Rundbrief der Feministischen Organisation von Planerinnen und Architektinnen (FOPA) war zu entnehmen, daß in Dortmund „die Frauen sauer“ blieben, weil „der Nahverkehrsplan an den Interessen der Frauen vorbeikurvt“ (WR, 135.97) - wenigstens wurde das Ergebnis dank der FOPA-Frauen öffentlich.
Dagegen können die Essenerinnen zufriedener sein: Aktive Frauen außerhalb und innerhalb der Verwaltung erreichten, daß Frauen-Werkstätten und eine umfassende Mängelanalyse durchgeführt wurden und deren Ergebnisse in den Nahverkehrsplan einfließen. Angela Fuhrmann hat solche Werkstätten mit spezifischen Nutzerinnengruppen (Mädchen von 14 – 18 Jahren, Mütter mit kleineren Kindern, Frauen ab 60) durchgeführt. Eine weitere Form der Analyse sind Haltestellengutachten, wie es beispielsweise die FOPA für Mülheim/ Ruhr erstellt hat.




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