"Sicher mit Bus und Bahn unterwegs" - eine neue Qualität im Umgang mit dem Sicherheitsbedürfnis der Fahrgäste

Ergebnisse einer Diskussion unter PlanungsFachFrauen im März 2000




Rundbrief PlanungsFachFrauen Mai 2000 (Kurzfassung)




Was muss geschehen, damit sich Frauen mit Bus und Bahn frei bewegen können? Jede Frau kann individuell lernen, sich zu behaupten und potentiellen Tätern entgegenzutreten. Diese Strategie funktioniert, sie hat sich vielfach bewährt - aber sie schiebt den Frauen die alleinige Verantwortung für ihre Sicherheit zu. Ein anderer Weg, der zunehmend gefordert wird, ist der Einsatz spezieller Sicherheitsdienste. Überspitzt lässt sich diese Art von Sicherheit mit der Hilfe eines Schutzmannes vergleichen, der Kinder über die Straße führt, weil sie allein womöglich "unter die Räder" kämen. Das ist eine in der Umsetzung sehr teure Strategie, die zu Abhängigkeiten führt und Hilflosigkeit hervorruft, wenn kein Sicherheitsdienst zur Verfügung steht.

Für Frauen (und männliche Fahrgäste ebenso) ist eine komplexere Herangehensweise wünschenswert, denn Sicherheit ist mehr als Abwehr von physischer Gewalt oder Begleitung durch gefährliche Situationen. Was wir brauchen, ist ein Rahmen, in dem es Frauen und Männern leicht gemacht wird, sich wohl und sicher zu fühlen und sich gelassen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewegen. Ein Rahmen, in dem ein respektvoller Umgang miteinander selbstverständlich ist und Verletzungen der Umgangsformen geahndet werden. Der Kommunalverband Großraum Hannover arbeitet daran:

Angela Fuhrmann stellte die Ergebnisse des Rahmenkonzepts (hierhin einen Link zur Kurzfassung, unter: Wissen.htm) beim Treffen der PlanungsFachFrauen zum ersten Mal öffentlich zur Diskussion.

Grenzverletzungen

Heftig diskutiert wurde, wo Grenzverletzungen beginnen, vor allem: Sind die Täter in der Lage wahrzunehmen, dass sie Grenzen verletzen? Unbedingt, meinte Angela Fuhrmann: Wenn z.B. jemand beim Einsteigen einer Frau zu nahe kommt, merken die Beteiligten, ob dies "normal" ist oder ein Ausnutzen der Enge. Wir alle wissen in der Regel, wo die Grenzen für respektvollen Umgang sind. Die Person, deren persönliche Grenze verletzt wird, spürt es - und die grenzverletzende Person auch. Sollte sich jemand ohne Absicht unangemessen verhalten, wird auf einen Hinweis sofort reagieren. Wer bewusst die Grenzen einer anderen Person verletzt, genießt die Scham beziehungsweise Demütigung des Opfers. Die Chance, dass sich auch diese Person auf einen klaren Hinweis zurückzieht bzw. die Belästigung unterläßt ist sehr groß.

Täter wissen, dass ihr Verhalten nicht in Ordnung ist. Sie wissen aber nicht, wie sehr es nicht in Ordnung ist. Diese Erkenntnis entsteht aber blitzartig, wenn das Verhalten in irgendeiner Form sanktioniert wird.

Daher ist es Aufgabe der Träger des ÖPNV, Verantwortung für die Positionierung - "Grenzverletzungen sind nicht in Ordnung" - und für die Kommunikation der Regeln für den Umgang miteinander zu übernehmen.

Erwartungen und Vorschläge an die Verkehrsunternehmen

Die Diskussion zeigte, dass unter Frauen die Sichtweise "Gewalt beginnt, wenn der respektvolle Umgang endet" keiner weiteren Erklärung bedarf: Die meisten kennen die Situation, sich bei Grenzverletzungen hilflos und ausgeliefert zu fühlen. Dass darüber mit männlichen Gesprächspartnern heute noch diskutiert werden muss; dass einige (wenige) Männer sogar annehmen, dass Frauen z.B. anzügliche Blicke genießen würden oder eben selbstbewusster werden sollten, stieß bei den Diskutierenden auf Erstaunen. Von den weiblichen Fahrgästen könne nicht erwartet werden, dass sie auf Rock und Schminke verzichten oder Trainings absolvieren, damit sie ohne Verletzung ihrer persönlichen Integrität Bus und Bahn fahren können. Sensibilisierung und Verhaltensänderung wurde dagegen von denjenigen verlangt, die für Planung und Abwicklung des öffentlichen Verkehrs verantwortlich sind: Sie müssten Rahmenbedingungen schaffen, in denen respektvolles Verhalten die Norm ist - nicht nur, aber auch gegenüber Frauen.

Angebote zur Erhöhung der Sicherheit sind anscheinend auch bei PlanungsFachFrauen nur Einzelnen bekannt: Dass es z.B. eine "Anschlussgarantie" für Busse an bestimmten Endpunkten von Stadtbahnlinien oder die Möglichkeit gibt, abends bei Buslinien auch zwischen Haltestellen auszusteigen, wurde begrüßt - gewusst hatte außer den ÖPNV-Expertinnen keine davon. Bekannt war lediglich das FrauenNachtTaxi.

Herausgestellt wurde, dass für viele (Frauen) bereits die Angst vor Grenzverletzungen ausreiche, den Öffentlichen Verkehr zu meiden: Weil sie Unangenehmes erwarten, probieren sie gar nicht aus wie es ist, (abends) mit Bus oder Bahn unterwegs zu sein. Deshalb sollten die Verkehrsunternehmen potentiellen Fahrgästen entgegenkommen:

  • einladen, z.B. unterirdische Stationen und Wagen in kleinen Gruppen kennenzulernen,
  • in Bahnen und Bussen über Handlungsmöglichkeiten "im Falle eines Falles" informieren,
  • ausprobieren lassen, wie z.B. eine Notrufsäule funktioniert und was passiert, wenn sie benutzt werden muss.

Mit solchen Angeboten könnten nicht nur vorhandene, sondern auch neue KundInnen mit der Situation vertraut gemacht - und für Busse und Bahnen gewonnen werden!




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