|
- Arbeits- und Betriebszeiten werden immer
stärker entkoppelt. Dennoch haben sich bestimmte Zeitstrukturen, vor allem die
Öffnungszeiten im Dienstleistungsbereich, nur geringfügig verändert. Diese gehen von
einer Normalarbeitszeit und Normalfreizeit aus und basieren damit
auf einem Bild der gesellschaftlichen Arbeitsteilung zwischen Frau und Mann, das der
heutigen Gesellschaft nicht mehr entspricht:
auf der einen Seite ein
Mann, der morgens das Haus verläßt, um als Familienernährer acht, zehn oder mehr
Stunden seinem Beruf nachzugehen,
auf der anderen Seite
seine Frau, die genau in dieser Zeit die Kinder und den Haushalt versorgt und alle hiermit
zusammenhängenden Aufgaben außer Haus zu erledigen hat.
Dieses Bild, auf das die Zeitstrukturen
ausgerichtet sind, trifft allerdings nur für einen sehr kleinen Teil der Gesellschaft zu
in Niedersachsen ungefähr auf ein Zehntel der Frauen.
Zeiten der Stadt: Kommunale
Zeitpolitik gegen Zeitstreß und Zeitdiebstahl
Zeitdiebstahl durch
unkoordinierte Zeiten und Zeitnot erscheinen als Probleme Einzelner, werden aber immer
mehr zu einem Problem der Gesellschaft. In Hamburg entstand 1992 die Idee, Zeitpolitik
unter gleichstellungspolitischen Gesichtspunkten voranzutreiben und innovative
Zeitangebote zu entwickeln:
Durch neue Zeitkonzepte
soll Frauen und Männern eine streßfreiere Vereinbarkeit der Lebensbereiche Beruf,
Familie und Freizeit ermöglicht werden.
Durch einen Abstimmungs-
und Aushandlungsprozeß zwischen Zeitanbietern (Arbeitgeber,
DienstleisterInnen, öffentlicher Verkehr etc.) und ZeitnachfragerInnen
(Arbeitskräfte, Nutzerinnen von Einrichtungen etc.) soll verhindert werden, daß
mögliche Veränderungen von Zeiten zu neuen Zeitproblemen bei einzelnen Beschäftigten
führen.
Hamburger Modellprojekt Zeiten der
Stadt: von der Untersuchung von Zeitbedarfen zur Erprobung neuer Zeitangebote
Im Hamburger Stadtteil Barmbek-Uhlenhorst
wurden Zeitsituation und Zeitbedarfe bei Nutzerinnen und Dienstleistungsanbietern
systematisch und flächendeckend erfragt. Deutlich wurde: Es gibt eine große Nachfrage
nach veränderten Öffnungszeiten in den Bereichen Kinderbetreuung, Einzelhandel,
Ämtern und Arztpraxen, vor allem aber nach zeitentlastenden Angeboten (z.B.
Stadtteilmensa). Andererseits gibt es bereits eine Fülle an unterstützenden Angeboten,
diese sind aber zuwenig bekannt oder an falschen Standorten. Auch viele Betriebe sind an
innovativer Zeitpolitik interessiert: Fast alle Klein- und Mittelbetriebe hatten schon mal
über veränderte Öffnungszeiten nachgedacht.
Daraus ergaben sich folgende Projektideen
(inzwischen überwiegend auch realisiert):
Beim Mittagstisch für
Grundschulkinder in Kinderbetreuungseinrichtungen erhalten die Kinder ein warmes Essen und
können danach zwei bis drei Stunden betreut werden.
Es wurden Orte für
Kinder geschaffen, zu denen Kinder (im Alter zwischen 18 Monaten und 12 Jahren)
innerhalb festgelegter Öffnungszeiten stundenweise oder nur an einzelnen Wochentagen
gebracht werden können. Betreut werden sie dort abwechselnd von den beteiligten Müttern
(von Vätern konnte leider nichts berichtet werden).
In 16 Arztpraxen mit 34
ÄrztInnen werden neue Praxisöffnungszeiten erprobt sie bieten Sprechzeiten oder
Termine frühmorgens, abends und Samstag vormittag an.
Erste Projekte in Hannover
Das hannöversche Projekt Zeiten der
Stadt wurde von GewerkschafterInnen initiiert und wird im EXPO-Büro der
Gewerkschaften koordiniert. Das Schwergewicht liegt in Hannover auf betrieblichen
Projekten. Obwohl Zeiten der Stadt nicht ausdrücklich als Frauenprojekt
angelegt ist, betrachten die TrägerInnen den Gleichstellungsaspekt als zentrales Thema.
Bisher sind folgende Projekte angelaufen:
üstra Hannoversche
Verkehrsbetriebe: Beim Projekt Bewegung in der Stadt des Betriebsrates
(Telefon 0511/ 1668-2373) geht es darum, das Nahverkehrsangebot gezielter auf die neuen
Zeitbedarfe abzustimmen und den Kunden noch mehr entgegenzukommen.
Landesversicherungsanstalt
(LVA) in Laatzen: Eine Projektgruppe Perspektive Teilzeit unter Leitung der
Personalchefin Danuta Nädler (Telefon 0511/ 829-3605) analysiert die Möglichkeiten von
Teilzeitarbeit bei der LVA und will neue Arbeitszeitmodelle entwickeln, die KundInnen und
Beschäftigten entgegenkommen.
Bei der Medizinischen
Hochschule (MHH) - einem Betrieb, in dem rund um die Uhr gearbeitet wird wurde die
Erreichbarkeit der Arbeitsplätze mit dem ÖPNV thematisiert. Zu Projektbeginn waren die
Beschäftigten überwiegend mit Autos an- und abgereist, inzwischen konnte das Busangebot
optimiert werden.
Bei der Landeshauptstadt
Hannover geht es bisher vor allem um zeitliche Flexibilisierung für Beschäftigte und
Nutzerinnen. Vier Kindertagesstätten werden demnächst Öffnungszeiten verändern.
Der Megalange Samstag im
Einzelhandel in der Innenstadt Hannover am 10.10.1998 ein Beispiel für
Auseinandersetzungen um kommunale Zeitpolitik
Auf welche Voraussetzungen stößt eine
megalange Öffnung des Einzelhandels an einem Samstag und welche
Wirkungen löst sie aus? Betriebsräte sehen es als ihre Aufgabe, die Beschäftigten vor
extremen Belastungen zu schützen. Bei einschneidenden Veränderungen der Arbeitszeit
sollte ein Interessenausgleich ausgehandelt werden unter Berücksichtigung der
Situation der VerkäuferInnen.
Wenn VerkäuferInnen
länger arbeiten sollen... Fragen von Betriebsrätinnen
Wenn eine Verkäuferin aus Celle am Samstag
bis 20 Uhr arbeiten muß wie kann sie mit Bahn und Bus nach Hause kommen? Wenn
schon lange gearbeitet werden muß wie können Mütter und Väter vor den langen
Abwesenheitsheiten geschützt werden? Wie kann ein Ausgleich zwischen den Zeitinteressen
der VerkäuferInnen und der VerbraucherInnen hergestellt werden?
Verlängerte Ladenöffnungszeiten:
Auswirkungen für Verbraucherinnen
Die Situation von Frauen ist durch
veränderte Ladenöffnungszeiten nicht nur auf Seiten der Verkäuferinnen, sondern auch
auf der Nutzerinnenseite berührt:
Längere Öffnungszeiten
scheinen die Verlagerung der Umsätze in die 1a-Lagen der Großstädte und in die
Einkaufszentren auf der grünen Wiese zu begünstigen. Diese Verlagerung geht
zu Lasten der wohngebietsnahen Läden, der Läden in Stadtteilen und Kleinstädten.
Als Konsequenz
verlängerter Ladenöffnungszeiten ist ein öffnungsbedingter
Strukturwandeleffekt zu erwarten: einerseits eine Verlagerung zu Lasten des
mittelständischen Facheinzelhandels, andererseits eine weitere Zentralisierung und
Verringerung von Standorten innerhalb der jeweiligen Betriebstypen. Geschäfte außerhalb
der zentralen Lagen werden zu Lasten von privilegierten Standorten geopfert.
Der
Verdrängungswettbewerb wird durch längere Öffnungszeiten noch intensiviert. Wenn zum
Preiskrieg noch ein aggressiver Öffnungswettbewerb hinzukommt, ist der
Mittelstand auf breiter Front existentiell gefährdet. Zu befürchten ist ein
öffnungsbedingtes Ladensterben.
- (Auszug aus dem Rundbrief
PlanungsFachFrauen Hannover November 1998)
Zum Weiterlesen:
- Sabine Issa: Zeiten der Stadt. Forschungs-
und Modellprojekt des Senatsamtes für die Gleichstellung Hamburg.
In: Deutscher Städtetag Frauen verändern ihre Stadt. Arbeitshilfe 3:
Stadtentwicklung, Köln 1998, 155 158.
Die Arbeitshilfe kann zum Preis von 39,50DM
(beim DST, Lindenallee 13-17, 50968) bestellt werden.
- Internet-Seite Frauen der
Metropolregion Hamburg: http://www.hamburg.de/MR/frauen/zeiten.htm
- .
|